
Rückzahlung der Kreditbearbeitungsgebühr
Nachlese eines Intverwiews von Ö1-Help (Paul Urban Blaha) vom 29. März 2025 mit Rechtsanwalt Dr. Schumacher. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat mit einem Urteil vom 19.02.2025 (7 Ob 169/24i) die von der BAWAG eingehobenen Kreditbearbeitungsgebühren für unzulässig erklärt. Das Urteil könnte weitreichende Folgen für Kreditnehmende haben. Aus Sicht von Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützern müssen alle Banken die Gebühren erstatten. Die Verjährungsfrist beträgt 30 Jahre.
Die Frage der Zulässigkeit von Kreditbearbeitungsgebühren beschäftigt Verbraucherschutzorganisationen in Österreich seit mehreren Jahren. Nachdem der deutsche Bundesgerichtshof im Jahr 2014 entschieden hatte, dass solche Gebühren unzulässig sind, wurde auch in Österreich der juristische Diskurs angestoßen. Nun hat der Oberste Gerichtshof (OGH) eine Entscheidung getroffen, die weitreichende Konsequenzen für Banken und Konsumentinnen und Konsumenten haben könnte.
Meinungsumschwung des Höchstgerichts
Im Jahr 2016 hatte der OGH die Kreditbearbeitungsgebühren noch als grundsätzlich zulässig eingestuft. Damals argumentierte das Gericht, dass diese im Rahmen von Klauselverfahren, wie sie häufig von Verbraucherorganisationen angestrengt werden, nicht überprüft werden könnten. Dieser Rechtsauffassung widersprach allerdings der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einer Reihe von Entscheidungen. Der EuGH stellte klar, dass nationale Gerichte Kreditbearbeitungsgebühren sowohl in Klauselverfahren als auch in Einzelprozessen auf ihre Angemessenheit prüfen müssen, sagt Help-Jurist Sebastian Schumacher. Diese Entwicklung brachte letztlich den OGH dazu, seine bisherige Auffassung zu überdenken.
Wo ist die Leistung?
Ein erster Hinweis auf diesen höchstgerichtlichen Meinungsumschwung zeigte sich bereits im Zusammenhang mit einem Urteil vor einigen Jahren, das über die Zulässigkeit von Entgelten in Fitnessstudios entschied. Der OGH erklärte Gebühren für unzulässig, wenn keine konkreten und erkennbaren Leistungen in Rechnung gestellt werden, so Schumacher. Hier deutete der OGH bereits an, von seiner bisherigen Judikatur abzuweichen. Diese Entwicklung mündete schließlich in der aktuellen Entscheidung, die im Zuge einer Klage der Arbeiterkammer (AK) gegen die BAWAG und die Santander Bank gefällt wurde. Die AK hatte die Verrechnung der Kreditbearbeitungsgebühren als sachlich nicht gerechtfertigt kritisiert.
Prozentsatz als zentrale Problemstellung
Der OGH hat die Kreditbearbeitungsgebühren in seinem aktuellen Urteil zwar nicht grundsätzlich für unzulässig erklärt, jedoch die Verrechnung nach einem festen Prozentsatz der Kreditsumme untersagt, so Schumacher. Der Grund: Die Höhe des Bearbeitungsentgelts darf nicht in direktem Zusammenhang mit der Kredithöhe stehen. Dies sei gröblich benachteiligend und somit unzulässig, da auch hier keine ersichtliche Leistung der Bank vorliege, die die prozentuale Bemessung rechtfertigen würde.
Der Gerichtshof führte ein Beispiel an: Bei einem Kredit von 220.000 Euro und einer Bearbeitungsgebühr von 1,5 Prozent entstünden Kosten von 3.300 Euro. Bei einer doppelten Kreditsumme von 440.000 Euro stiege die Gebühr jedoch auf 6.600 Euro. Ein solcher Anstieg sei nicht plausibel, da der Bearbeitungsaufwand der Bank nicht proportional zur Kredithöhe wachse.
Höherer Kredit, größeres Risiko?
Bankenvertreter argumentieren, dass die Höhe der Bearbeitungsgebühren nicht nur den administrativen Aufwand widerspiegele, sondern auch das finanzielle Risiko bei höheren Kreditsummen berücksichtige. Höhere Kredite erforderten eine intensivere Risikoprüfung und Absicherung, etwa eine umfassende Bonitätsprüfung. Aus Sicht Schumachers geht diese Argumentation allerdings „ins Leere“, da höhere Risiken bereits durch angepasste Zinssätze kompensiert werden. Zudem liege die Bonitätsprüfung im ureigenen Interesse der Banken.
Obwohl der OGH keine generelle Unzulässigkeit von Kreditbearbeitungsgebühren feststellte, dürfte die Entscheidung weitreichende Auswirkungen haben. Da die prozentuale Verrechnung weit verbreitet ist, stehen viele Banken nun vor der Herausforderung, ihre Gebührenpraxis anzupassen.
Rückzahlungen: Verjährungsfrist beträgt 30 Jahre
Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer können die unzulässig verrechneten Gebühren ab sofort zurückfordern, meint Schumacher. Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen die Bank die Bearbeitungsgebühr vom Kreditbetrag direkt einbehalten hat, die Verjährungsfrist beträgt 30 Jahre. In laufenden Kreditverträgen könnte zudem eine Saldokorrektur erforderlich sein, um die fehlerhaft berechneten Zinsen anzupassen. Sollte die Bank die Rückzahlung verweigern, empfiehlt sich eine rechtliche Beratung bei einer Verbraucherorganisation wie der Arbeiterkammer oder dem Verein für Konsumenteninformation (VKI). Im Extremfall könne man den Fall auch der Rechtsschutzversicherung vorlegen und das Geld vor Gericht einfordern, sagt Schumacher.
Banken fühlen sich nicht an Urteil gebunden
Die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) weist jedoch darauf hin, dass das Urteil keine automatische Rückzahlungsverpflichtung auslöst. Da es sich um ein abstraktes Verbandsverfahren handelt, müsse in Einzelfällen die Rechtslage individuell geprüft werden.
Die Entscheidung des OGH könnte dennoch Signalwirkung für den Bankensektor in Österreich haben. Auch wenn das Urteil derzeit nur die BAWAG und die Santander Bank betrifft, sei absehbar, dass weitere Kreditinstitute ihre Gebührenpraxis überdenken müssen, so der Jurist. Verbraucherschutzorganisationen sehen sich durch den Richterspruch bestätigt und erwarten, dass betroffene Kunden ihre Ansprüche geltend machen. Der Verbraucherschutzverein (VSV) hat angekündigt, die Betroffenen im Rahmen von Verbands- beziehungsweise Einzelklagen zu unterstützen. In so einem Fall gehen Kundinnen und Kunden kein Klagsrisiko ein, im Erfolgsfall gehen allerdings 35 Prozent der erstrittenen Summe an einen Prozessfinanzierer.
Die Banken wiederum scheinen auf Zeit zu spielen und verweisen auf eine notwendige Einzelfallprüfung. Ob die Entscheidung tatsächlich zu einer flächendeckenden Rückzahlung führt, bleibt abzuwarten. Bis dahin dürfte das die Frage der Zulässigkeit von Kreditbearbeitungsgebühren die Gerichte noch ein wenig in Atem halten.
Hören Sie den gesamten Beitrag im Ö1-Podcast nach: https://sound.orf.at/podcast/oe1/oe1-help/kreditbearbeitungsgebuehren-rueckzahlungen-wahrscheinlich